Strassburg, 14.06.2006
Es geht hier um Menschen, die in den vierziger Jahren des 20.Jahrhunderts aus Georgien -dem ehemaligen Sowiet Union – vertrieben wurden, und ihre Rückkehr in ihre Heimat.
UNSERE BEDENKEN ZUM “GESETZ GEORGİENS”
Thema: Die Rückkehr der im Jahre 1944 vertriebenen Ahiska Türken (irrtümlicherweise auch Mesketen genannt) in ihre Heimat.
Das vertriebene Volk: Dieses Volk ist ein türkisches Volk und spricht Türkisch. Es sind die ältesten Einheimischen des Ahiska Gebietes, die uns bekannt sind. Sie werden auch im Kartlis-Ckhovreba (Das Leben Georgiens) – eine alte Geschichtsquelle Georgiens- als Türken erwähnt. Vor der Vertreibung wurden sie in Georgien an Schulen in Türkisch unterrichtet und veröffentlichten regionale türkische Zeitungen.
Die Vertreibung: Als der zweite Weltkrieg begann, wurden 40.000 Ahiska Türken zum Militärdienst einberufen und an der Deutschen-Front eingesetzt. Die hinterbliebenen Frauen und Kinder bauten unter Zwangsarbeit eine 60 km lange Bahnlinie. Diese Bahnlinie wurde gebaut, um das hier lebende Volk in kurzer Zeit zu evakuieren. Als der Ausgang des Krieges feststand, wurde der Vertreibungsplan ausgeübt. In der Nacht des 15. November 1944 wurde die Bevölkerung von 220 Dörfern insgesamt 120.000 Menschen mittels Tier und Lastwaggons in zwei Stunden evakuiert. Tausende von Menschen starben auf dem Weg, wieder Tausende in Zentral-Asien.
Grund der Vertreibung: Die unter der Stalin-Diktatur Vertriebenen Völker wurden dessen bezichtigt mit den Deutschen zu kollaborieren. Aber die Ahiska Türken wurden keineswegs beschuldigt. Man belog sie und meinte sie würden an sicheren Orten gebracht und würden sehr bald wieder zürückkehren. Der einzige Grund für die Vertreibung dieses Volkes scheint darin zu liegen, dass sie Türken waren und an der türkischen Grenze lebten.
Nach der Vertreibung: Im Jahre 1953 nach dem Tode Stalin’s kehrten die Nord Kaukasische Völker in ihren Heimatländern zurück. Aber die Rückkehrversuche der Ahiska Türken wurden andauernd von den regionalen georgischen Behörden verhindert. Wie es auch noch heute der Fall ist. Das Gesetzentwurf birgt die erwähnte Absicht in sich.
Aktuelle Lage: Die Ahiska Türken leben derzeit unter sehr schlechten Umständen und verstreut in den ehemaligen Sowiet Republiken wie Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan, Asarbeidschan, Russische Föderation, Ukraine. Ein Teil ist in die Türkei ausgewandert, und eine kleine Gruppe wurde in die USA gebracht. Die Bevölkerungszahl beträgt etwa 300.000.
Anspruch des vertriebenen Volkes: Das vertriebene Volk Ahiska möchte ohne ein Anspruch auf Entschädigung zu erheben, genauso wie die anderen vertriebenen Völker in ihre Heimat zurückkehren. Die georgische Regierung dagegen hat die Absicht dieses Volk nicht in Ahiska unterzubringen sondern in ganz Georgien zu verteilen. Ausserdem wird dieses vertriebene Volk etnisch als Meshi-Georgier eingestuft und keinen festen Zeitplan für ihre Rückkehr festgesetzt.
Die Rückkehrphase: Die georgische Regierung hat sich im Jahre 1999 gegenüber dem Europarat verpflichtet innerhalb von 6 Jahren die Rückkehr der Vertriebenen gesetzlich zu regeln und bis 2011 das Rückkehrverfahren abzuschliessen. Endlich hat sie dem Europarat 2006 ein Gesetzentwurf vorgelegt.
Wir möchten hier uns ein wenig mit diesem Gesetzentwurf beschäftigen.
Vor allem möchte ich hier betonen, dass die uns aus der Presse bekannten Erklärungen der georgischen Behörden keineswegs hilfreich sind die Wunden der Vertreibung zu heilen. Fast jedes Artikel des Georgien Gesetzes ist für Interpretationen und Missbrauch offen und enthält Aussagen, die zur Benachteiligung vieler Geschädigten führen könnten. Wir möchten hier einige erwähnen:
- Wie wird die Aussage im Artikel 3 “Personen, die sich gegen Georgien gerichtete Bewegungen angeschlossen haben” interpretiert? Erwartet man von diesem Volk, dass es an ihnen verübte Gräueltaten tatenlos zusieht und sich ihrem Schicksal überlässt? Was sollen wir unter den Wörtern “gegnerische Bewegungen” verstehen?
- 4/2 Was bedeutet “Ehemalige historische Familiennamen werden wieder vergeben”? Um welche Familiennamen handelt es sich hier? Assimilationsversuche wie Namensveränderungen erinnern uns an die Zeit von Jivkov Bulgariens. Auch in den dreiziger Jahren gab es Zwangsveränderungen der Namen in Ahiska. Wir möchten das alles nicht wieder erleben.
- 4/3-b Ist die Bedingung “Den Wohnsitz innerhalb eines Jahres nicht wechseln dürfen” rechtsmässig?
- 4/3-c Ist es rechtsmässig beim Kauf von Wohnungen 10% zu zahlen? Wer finanziert den Bau dieser Häuser? Georgien? Wohl kaum.
- 5/1, 2-b Durch die Aussage “Die jenigen, die eine Staatsangehörigkeit nachweisen können” werden die jenigen, die keine Staatsangehörigkeit haben ausgeschlossen.
5/3 Wie kann man die Bedingung “persönlicher Anwesenheitszwang der Antragsteller” erfüllen? Ist das überhaupt möglich? Die in Artikel 5/4 erwähnten Unterlagen sind unnötigerweise sehr viel.
- 6/1 Der Begriff “das vollständige Unterlagenpaket” ist relativ und erinnert an die Korruptionvorwürfe in diesem Land. 6/2 Was hat “Fehlerhafte Unterlagen” zu bedeuten? 6/3 Bestehen Fristen von “ein Monat, drei Monat”? Wer legt die Zeitspanne fest?
- 8/4 Die Aussage “Gemäss Zollgesetz festgelegte Waren” ist Erläuterungsbedürftig. Gesammte Waren, die sowohl den Familien als auch dem Land wirtschaftlichen Beitrag leisten, sollten erlaubt sein.
- 9/2-c Was bedeutet “die georgische oder eine andere Staatsangehörigkeit”? 9/4 Personen, die in ihre Heimatländer zurückgekehrt sind, können jederzeit ausgewiesen oder als Fremder –aber Wohnhaft im Land- eingestuft werden. Diese Aussage kann nach Lust und Laune interpretiert werden.
- 10/2 Das Thema Quote ist nicht klar. Zb. “eine bestimmte Anzahl von Bewerbungen werden anerkannt…”. So scheint es, dass durch diese Aussage versucht wird die Behauptung der georgischen Regierung “Es ist unmöglich die Rückkehr bis 2011 abzuschliessen.” zu untermauern. Mit guter Gesinnung kann diese Rückkehr in einigen Jahren abgeschlossen werden.
- 12/1 Was meint man mit “Adaptation und Integration”? Ist dies ein Teil eines grossen Planes, wie Namensänderungen, um die ethnische Identität in Vergessenheit geraten zu lassen. Ist die Aussage des Ministerialrates Lomsadze “Sie werden in zwei Integrationszentren im Westen und Osten drei Monate verbringen” nicht rechtswidrig? Die Erfahrung in Israel kann für die Ahiska Türken nicht als Beispiel genommen werden. Denn dieses Volk zieht nicht in ein neues Land um, es kehrt in seine Heimat zurück.
Mängel und Kritik
- Der Rückkehrort: Der eigentliche Heimatort der Vertriebenen; das Ahiska-Gebiet wird im Gesetzes Text nicht erwähnt. Vorwände wie; “das Gebiet ist nicht fruchtbar” oder “Ein 90 % der georgischen Bevölkerung ist gegen diese Rückkehr” entsprechen weder der Realität noch der Rechtslage. Dass die Rückkehrer in ganz Georgien verteilt werden, wird ohne Hemmung deklariert. Wie kann man unter diesen Umständen von einer Rückkehr in die Heimat sprechen.
- Der Name des Volkes: Das in den Vertreibungsanordnungen als Türken genannte Volk wird im Gesetzes Text nicht mit Namen erwähnt. An verschiedenen Konferenzen wird behauptet, sie seien Meshi-Georgier. Dies ist eine Lächerlichkeit, die ein Ende nehmen sollte, in dem man das Volk offen und klar mit ihrem Namen nennt.
- “Für die Rückkehrer wird eine Brochüre in Russisch fertiggestellt.” Warum in Russisch und nicht in ihrer Muttersprache?
- Immobilien: Im Gesetzesentwurf werden die Immobilien, die die Rückkehrer in jeweiligen Ländern zurücklassen werden und in Georgien vorfinden werden nicht erwähnt.
- Wehrdienst: Wie wird der Militärdienst der Jugendlichen, die kein Georgisch sprechen, geregelt.
- Zivile Organisationen: Für die eingebürgerten Rückkehrer ist eine Organisationsbildung im sozialen Leben rechtlich nicht untermauert.
- Bildung: Was ist für die Bildung der Rückkehrer vorgesehen. Wird das Recht auf türkische Bildung gewährt, wie vor der Vertreibung genannt Asarbeijan Sprache?
- Zeitplan: Das Volk verlangt mit Recht, dass die Rückkehrphase nicht hinausgezogen werden sollte. Denn als man sie vertrieb geschah dies in wenigen Stunden. Jetzt ist die Rede von 3-5 Jahren, die nicht ausreichen sollen.
Wir fordern unter Berücksichtigung unserer erwähnten Vorbehalte die Korrektur des Gesetzesentwurf der georgischen Regierung .
FEDERATION DER INTERNATIONALEN AHISKA TÜRKEN VEREINE
Vorsitzender : Yunus Zeyrek
Vorsitzender stlv. Mürefeddin Sakimov